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1. WILLKOMMEN UND ABSCHIED
Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!Es war getan, fast eh' gedacht;Der Abend wiegte schon die Erde,Und an den Bergen hing die Nacht;Schon stand im Nebelkleid die Eiche, 5Ein aufgetürmter Riese, da,Wo Finsternis aus dem GesträucheMit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem WolkenhügelSah kläglich aus dem Duft hervor; 10Die Winde schwangen leise Flügel,Umsausten schauerlich mein Ohr;Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,Doch frisch und fröhlich war mein Mut:In meinen Adern, welches Feuer! 15In meinem Herzen, welche Glut!
Dich sah ich, und die milde FreudeFloß von dem süßen Blick auf mich;Ganz war mein Herz an deiner Seite,Und jeder Atemzug für dich. 20Ein rosenfarbnes FrühlingswetterUmgab das liebliche Gesicht,Und Zärtlichkeit für mich—ihr Götter!Ich hofft' es, ich verdient' es nicht!
Doch ach, schon mit der Morgensonne 25Verengt der Abschied mir das Herz:In deinen Küssen, welche Wonne!In deinem Auge, welcher Schmerz!Ich ging, du standst und sahst zur Erden,Und sahst mir nach mit nassem Blick: 30Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!Und lieben, Götter, welch ein Glück!
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2. MAILIEDWie herrlich leuchtetMir die Natur!Wie glänzt die Sonne!Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten 5Aus jedem Zweig,Und tausend StimmenAus dem Gesträuch,
Und Freud' und WonneAus jeder Brust. 10O Erd', o Sonne!O Glück, o Lust!
O Lieb', o Liebe!So golden schön,Wie Morgenwolken 15Auf jenen Höhn!
Du segnest herrlichDas frische Feld,Im BlütendampfeDie volle Welt. 20
O Mädchen, Mädchen,Wie lieb' ich dich!Wie blinkt dein Auge!Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche 25Gesang und Luft,Und MorgenblumenDen Himmelsduft,
Wie ich dich liebeMit warmem Blut, 30Die du mir JugendUnd Freud' und Mut
Zu neuen LiedernUnd Tänzen giebst.Sei ewig glücklich, 35Wie du mich liebst!
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3. AUF DEM SEEUnd frische Nahrung, neues BlutSaug' ich aus freier Welt;Wie ist Natur so hold und gut,Die mich am Busen hält!Die Welle wieget unsern Kahn 5Im Rudertakt hinauf,Und Berge, wolkig himmelan,Begegnen unserm Lauf.
Aug', mein Aug', was sinkst du nieder?Goldne Träume, kommt ihr wieder? 10Weg, du Traum! so gold du bist;Hier auch Lieb' und Leben ist.
Auf der Welle blinkenTausend schwebende Sterne;Weiche Nebel trinken 15Rings die türmende Ferne;Morgenwind umflügeltDie beschattete Bucht,Und im See bespiegeltSich die reifende Frucht. 20
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4. HEIDENRÖSLEINSah' ein Knab' ein Röslein stehn,Röslein auf der Heiden,War so jung und morgenschön,Lief er schnell, es nah zu sehn,Sah's mit vielen Freuden. 5Röslein, Röslein, Röslein rot,Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: Ich breche dich,Röslein aus der Heiden!Röslein sprach: Ich steche dich, 10Daß du ewig denkst an mich,Und ich will's nicht leiden.Röslein, Röslein, Röslein rot,Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach 15's Röslein auf der Heiden;Röslein wehrte sich und stach,Half ihm doch kein Weh und Ach,Mußt' es eben leiden....